Sendehalle Europe 1

Sendehalle Europe 1

Mehr als zweieinhalbtausend Quadratmeter ohne jede Stütze, darüber schwebend eine geschwungene Schale, gut 80 m weit gespannt und doch nur 5 cm dick: Geradezu paradigmatisch steht die Sendehalle von Radio Europe 1 für ein Konstruieren, dem kaum noch Grenzen gesetzt zu sein scheinen. Exemplarisch offenbart ihre dramatische Konstruktionsgeschichte aber ebenso die Schattenseiten hochmoderner Ingenieurbaukunst – die Verführungskraft des Leitbilds größtmöglicher Leichtigkeit, das fortschrittsblinde Verkennen möglicher Risiken und nicht zuletzt die verstörende Hybris, sich allzu sicher und frei von Fehlern zu wähnen.

Weitere Informationen und Bildmaterial

Sendehalle Europe 1

Mehr als zweieinhalbtausend Quadratmeter ohne jede Stütze, darüber schwebend eine geschwungene Schale, gut 80 m weit gespannt und doch nur 5 cm dick: Geradezu paradigmatisch steht die Sendehalle von Radio Europe 1 für ein Konstruieren, dem kaum noch Grenzen gesetzt zu sein scheinen. Exemplarisch offenbart ihre dramatische Konstruktionsgeschichte aber ebenso die Schattenseiten hochmoderner Ingenieurbaukunst – die Verführungskraft des Leitbilds größtmöglicher Leichtigkeit, das fortschrittsblinde Verkennen möglicher Risiken und nicht zuletzt die verstörende Hybris, sich allzu sicher und frei von Fehlern zu wähnen.

Bauwerk

Der Bau der Halle ist mit den beiden bedeutendsten Pionieren des französischen Schalenbaus verbunden. Für Bernard Laffaille jedoch wird sie zum Ort seiner größten Niederlage: Im September 1954 zerreißt das von ihm konzipierte Schalentragwerk noch während des Baus. Im Frühjahr 1955 gelingt Eugène Freyssinet mit einem veränderten Konzept die Vollendung. Doch auch seine „Rettung der Halle“ erweist sich als wenig nachhaltig: 1980 steht das filigrane Flächentragwerk neuerlich kurz vor dem Versagen. Erst im dritten Anlauf entsteht 1982 die heutige, verlässlichere Konstruktion.

Konstruktion

Der herzförmige Grundriss wird von einer gegenläufig gekrümmten Fläche überdeckt, deren geneigte Achse von 9,50 m vorn auf ca. 4,50 m auf der Rückseite abfällt. Eingehängt ist sie in zwei zur Achse spiegelgleiche Stahlbeton-Randbögen, um sie zu sichern, queren sechs mächtige vorgespannte Zugbänder den Raum. Die Schale selbst ist in ihrer dritten Fassung nur noch „Totlast“: Für den Lastabtrag ist heute allein die 1982 ergänzte dicht gestaffelte Unterspannung zuständig.

Zukunft

Ende 2015 beendete Radio Europe 1 den Betrieb der Sendehalle. Sie ging in den Besitz der Gemeinde über. Die künftige Nutzung und die damit verbundene Frage der Trägerschaft sind ungewiss; erste Konzepte liegen vor. (WL)

Eckdaten

Lage:Ittersdorfer Straße, 66802 Überherrn, Ortsteil Berus
Lage::
Bauzeit:
Ittersdorfer Straße, 66802 Überherrn, Ortsteil Berus:
[a] 1954
[b] 1954/55
[c] 1980–82
Lage::
Tragwerksplanung:
Ittersdorfer Straße, 66802 Überherrn, Ortsteil Berus:
[a] Bernard Laffaille mit René Sarger, Büro C.A.P.E.M., Paris
[b] Eugène Freyssinet und Yves Guyon, STUP, Paris
[c] Pierre Xercavins, Büro Europe Etudes Gecti, Clichy, für Freyssinet International, Boulogne Bilancourt
Lage::
Gesamtplanung:
Ittersdorfer Straße, 66802 Überherrn, Ortsteil Berus:
Jean-François Guédy mit André Nejavits-Méry, Paris
Lage::
Ausführung:
Ittersdorfer Straße, 66802 Überherrn, Ortsteil Berus:
[a] Saar Bauindustrie AG, Saarlouis; STUP, Paris; Dillinger Hüttenwerke AG, Dillingen
[b] Saar Bauindustrie AG, Saarlouis; STUP, Paris
[c] Freyssinet International, Boulogne Bilancou
Lage::
Denkmalstatus:
Ittersdorfer Straße, 66802 Überherrn, Ortsteil Berus:
Eintrag in die Denkmalliste des Saarlands 1999

Bildmaterial

Zum Weiterlesen

Axel Böcker und Rupert Schreiber: „La Cathédrale des ondes – die Kathedrale der Wellen“. In: Die Denkmalpflege 74 (2016), Nr. 1, S. 70–78
Deutscher Werkbund Saarland (Hg.): Das Europe 1 Sendezentrum im Saarland, Berus-Überherrn (Resonanzen; 2). Merzig 2020
Werner Lorenz und Bernard Espion: Die Sendehalle von Radio Europe 1 in Berus (Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland; 28). Berlin 2021

Weblinks

Werkbund Saarland, Reihe Resonanzen (http://resonanzen.eu/sender-europe-1/)
Institut für aktuelle Kunst an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (http://institut-aktuelle-kunst.de/kunstlexikon/berus-sendehalle-europe-1-28467)
Ministerium für Bildung und Kultur im Saarland (https://www.saarland.de/mbk/DE/portale/industriekulturportal/industriekultur/OrteIndustriekulturSaarland/denkmaeleranderebereiche/sendereurope/sendereurope_node.html)

Weitere Info

Das Bauwerk ist Thema im Teilprojekt Gealterte Hochmoderne in Architektur und Denkmalpflege – Analyse von Konstruktion und Material, Entwicklung von Erhaltungsstrategien und Instandsetzungsmaterialien für Stahlbetonbauwerke unter ingenieurwissenschaftlichen und denkmalpflegerischen Aspekten.

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