Fertigungshalle 1 in Peenemünde (E2)

Die baugeschichtliche Erforschung der F1 in Peenemünde als Beitrag zur archäologischen Erschließung materieller Hinterlassenschaften an kontaminierten Kulturerbestätten.

Die Fertigungshalle 1 in Peenemünde ist ein dreischiffiger Stahlbetonskelettbau, dessen große Produktionshalle über einem niedrigen Sockelgeschoss von runden Sheddächern überdeckt wurde. Mit dem konstruktiven Entwurf und mit der Bauausführung war die Firma Dywidag vom Heereswaffenamt beauftragt worden, das in der Heeresversuchsanstalt seit 1936 die Entwicklung des Aggregats 4, auch bekannt unter der Propagandabezeichnung V2-Rakete, vorantrieb und ab 1939 die serienmäßige Herstellung der Kriegswaffe verfolgte.

Geplant und errichtet in den Jahren von 1939–1943 wurde das Gebäude nach Ende des Zweiten Weltkriegs von der Roten Armee gesprengt. Heute liegt das monumentale Bauwerk als Ruine da, von Schutt überdeckt und zunehmend von Bäumen überwachsen. Nicht zu trennen von Bauwerk und Ort ist die Einrichtung des Konzentrationslagers Karlshagen II im Sommer 1943.

Um das Problem mangelnder Arbeitskräfte zu lösen, wurden im Sockelgeschoss 600 Häftlinge untergebracht. In der engen räumlichen Verknüpfung von höchstem technischem Fortschrittsstreben in der Moderne, der auch in Konstruktion und Entwurf des Gebäudes zur Anschauung gebracht wurde, und inhumaner Unterwerfung der menschlichen Arbeitskraft, die einem nur scheinbar paradoxen Atavismus gleichkommt, ist der Fertigungshalle 1 ein besonderer Symbolwert zuzumessen.
Eine angemessene Würdigung der technischen und baukünstlerischen Leistung erscheint danach ohne eine Reflexion ihres Bedingungsrahmens zweifelhaft. Im Hinblick auf eine angemessene Würdigung erfordert die konkrete Überlieferungssituation des Gebäudes grundlegend auch einen bauforscherisch-rekonstruktiven Ansatz auf der Basis einer archäologischen Klärung der Befundlage.

Wenn es nun aber darum geht, in der archäologischen Befundung der baulichen Reste die spezifische Modernität eines Gebäudes richtig zu addressieren, dann bedarf es ebenso auch hier einer Auseinandersetzung mit den Methoden einer Bautechnikgeschichte für das 20. Jahrhundert.

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