Weiternutzung von Eisenbahngewölbebrücken (I1)

Vor dem Hintergrund, dass im Zeitraum von 2015 bis 2019 von 226 bestehenden Gewölbebrücken ca. 200 Gewölbe abgebrochen wurden, muss aufgrund erhöhter Resttragfähigkeit ein Umdenken im Sinne der Weiternutzung abgeleitet werden:

Vor dem Hintergrund des erhöhten Abbruchs von Gewölbebrücken, muss sich die Frage gestellt werden: „Warum ist Erhalt so schwer?“

Mit dieser Fragestellung ist Prof. Marx über die Stiftungsprofessur der DB InfraGO AG (damals DB Netz AG) im Jahr 2020 ins Rennen gegangen. Neben den Themen der Reduktion von Schienenauszügen und der Festen-Fahrbahn war das o.g. Thema maßgebend. Durch eine falsche Motivation der damals ins Leben gerufenen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vom Bund, bei dem für den Neubau, eine volle Finanzierungswürdigkeit angesetzt wurde, war dies der Freifahrtschein, die alte Bausubstanz zu entfernen. (Abbildung 1)

Im ersten Schritt wurde die Finanzierungsstruktur angepasst, in dem ein Kriterienkatalog definiert wurde, der verpflichtende Maßnahmen aufzeigt, um mit einer Gewölbebrücke in die Weiternutzung zu gehen. Nach Abstimmung mit dem Eisenbahnbundesamt ist ab sofort eine Generalsanierung mit Gefügeverbesserung, Injektionen, Steine tauschen und weiterführenden Maßnahmen in den Unterbauten ebenfalls über die Bundesmittel finanzierungswürdig.

Da historische Gewölbebrücken eine enorm hohe Resttragfähigkeiten haben und über 90% ihrer Grundsubstanz weiterverwendet werden, wurde im nächsten Schritt ein Rahmenvertragstool für Bauwerksdiagnostik bei der Deutschen Bahn platziert. Hier kann in einem zweistufigen Programm die Untersuchungsplanung und die anschließende Diagnostische Beprobung der Bausubstanz stattfinden. Dadurch kann in einer frühen Leistungsphase schon recht zügig die potenzielle Weiternutzung abgeleitet werden. Weiterhin wurde das Instandhaltungsregime für Gewölbebrücken so angepasst, dass nach 149 Jahren Laufzeit eine Generalsanierung mit entsprechender Gefügeverbesserung und Gewölberückseitigen Maßnahmen, wie einer Fahrbahnplattenausbildung oder konstruktiven Rückenabdichtung, durchgeführt wird. Anhand von gutachterlichen Projektbegleitungen für Gewölbemaßnahmen bei der Deutschen Bahn über die TU Dresden konnten über 50 Maßnahmen in die Erhaltung überführt werden, die vorher auf Abbruch und Neubau gesetzt waren. Über das dort gesammelte Wissen und die Hemmnisse, die in den Projekten zu einem vorzeitigen Abbruch geführt haben, wurde ein technisches Regelwerk in Form einer modularen Ergänzung in der RIL 804 erarbeitet.

Mit diesen Randbedingungen ist es jetzt möglich eine Synergie zu den statischen Nachweisführungen für Gewölbebrücken in der RIL 805 herzustellen und zu optimieren. Dazu wurde das Programm der Belastungsfahrten auf Gewölbebrücken bei der Bahn in Kooperation mit der TU Dresden adaptiert. Über definierte Lok-Lasten, soll so die Verformung eines Gewölbes in Abhängigkeit der Boden-Bauwerks-Interaktion ermittelt werden, siehe Abbildung 2. Dadurch lassen sich im Nachgang statische Rechenmodelle kalibrieren und in Zukunft können so vereinfachte Methoden zur Anwendung kommen, um Gewölbebrücken erfolgreich im Zuge ihrer Tragfähigkeit nachzuweisen.

Ein weiterer Punkt ist der Einsatz von innovativen, modernen Baustoffen wie der Ultra-Hochfeste-Faser-Baustoff (UHFB) oder auch die Textil-Beton-Rückenabdichtung (mit einer nichtmetallischen Bewehrung) auf Bestandstragwerken, wie den Gewölbebrücken. Die neuen Werkstoffe können auf dem Gewölbebrücken dabei sowohl als konstruktiv sowie statisch wirksame Abdichtungsebenen eingesetzt werden. Besonders der UHFB konnte durch das Wissen der EPFL um Herrn Prof. Brühwiler und den Anwendungsfällen der Schweizer Bundesbahn (SBB) über das Ingenieurbüro Marx Krontal Partner in die deutsche Pilotierung überführt werden. Das Produkt wird in der Schweiz seit mehreren Jahrzehnten erforscht und hat durch das Einbringen von Stahlfasern gegenüber herkömmlichen Stahlbeton eine deutlich höhere Druckfestigkeit sowie Dauerhaftigkeit. Durch diese Anforderungen können deutlich schlankere Querschnitte und ein geringerer Materialeinsatz verfolgt werden, so wie die Anwendungsfälle, siehe Abbildung 3 und Abbildung 4 der SBB zeigen. Das Ziel im Einsatz von innovativen Baustoffen wie UHFB soll es sein, durch schlanke Durchbildungen und einhergehender hohen Frühfestigkeit die Sanierungsgeschwindigkeit einer Bestandsbrücke gleich mit dem Einschub eines neuen Rahmenbauwerks zu setzen.

Mit diesen Prozessen, der strukturierten Weiternutzung von Eisenbahngewölbebrücken wird eine Anleitung/Vorlage geschaffen, um das Umdenken auch auf andere Bauformen, wie z.B. die Stahlbrücken zu übertragen.

Abbildung 1: „Warum ist Erhalt so schwer?“ – Abbruch einer Gewölbebrücke mit einem Bogen und Ersatz durch ein in Seitenlage errichtetes Stahlbeton-Rahmentragwerk. Quelle: Wadle Bau

Abbildung 2: Belastungsversuch an einer Gewölbebrücke der Deutschen Bahn – mechanische und lasergestütze Messeinrichtung zur Ermittlung der Verformungen während Überfahrt von Zügen, Quelle: Pelka

Abbildung 3: Einführung innovativer Baustoffe wie z.B. Ultra-Hochfester-Faser-Baustoff (UHFB) auf einer der Gewölbebrücken auf der Bahnstrecke von Luzern nach Immensee. Quelle: Prof. Brühwiler

Abbildung 4: Überleitung des Themas der Gewölbebrücken auf andere Bauformen, wie den Stahlbauwerken. Hier das Wipkinger-Viadukt in Zürich mit einer UHFB-Konstruktion auf dem Bereich des genieteten Stahlfachwerk-Querschnitt. Quelle: Prof. Brühwiler

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