Regulierende Mechanismen im modernen Bauwesen (E5)

Einwirkungen rechtlicher und institutioneller Normative auf die modernen Entwicklungen des Bauwesens im faschistischen Italien der 1920er und 1930er Jahre.

Das Dissertationsprojekt behandelt die rechtlichen und institutionellen Veränderungen der modernen Bauproduktion Italiens zwischen 1922 und 1939. Besondere Aufmerksamkeit wird der ideologischen Konformität zwischen Politik und Experten entgegen gebracht, die im Bauwesen vom faschistischen Regime mittels Etablierung neuer rechtlicher Regulative und den dazu entsprechenden institutionellen Netzwerkclustern angestrebt worden war. Der Forschungsfokus geht damit über klassisch architekturgeschichtliche Analysen hinaus und richtet sich auf jenes Spannungsfeld zwischen berufspraktischen und politisch-ideologischen Motiven dahinter, welche die Diskurse um Berufsordnungen und Kammermitgliedschaften bestimmten. Im Fokus stehen jene normativen Bedingungen, innerhalb derer sich eine moderne Architektur in Italien überhaupt erst entfalten konnte. Abseits von direktiv durchgesetzten Interventionen werden jene Vorgehensweisen und dazu eingesetzten Mechanismen ermittelt, durch welche das Bauwesen in seinen Arbeitsprozessen, Praktiken und Trends nicht nur modernisiert sondern gleichzeitig auch politisiert wurden. Strukturelle Veränderungen in den Institutionen, wie die Etablierung von neuen Syndikaten und andere halböffentlichen Körperschaften, haben nicht nur die Modernisierung im Bauwesen vorangetrieben sondern auch die Baukultur Italiens insgesamt entscheidend nachhaltig geprägt.

In Erweiterung klassisch architekturhistorischer Analysen kommen deskriptiv planungsethische Forschungsmethoden zur Anwendung, welche eine Erweiterung der heutigen Rezeptionen zur architektonischen Moderne in Italien ermöglichen. Die sprachlich und kulturell heterogen geprägten Grenzraumregionen Trentino und Südtirol/Alto Adige stellen dazu ein besonders geeignetes Forschungsfeld dar. Seit der Machtergreifung durch die Partito Nazionale Fascista 1922 nahmen sie in der Nationalisierung und ideologischen ‹Faschisierung› Italiens eine bedeutende Schlüsselrolle ein. Mit besonderem Interesse wurde hier an der Einwirkung und Aneignung ‚fremder‘ Elemente gearbeitet. Im Laufe der 1920er und 1930er Jahre wurden beide Regionen zu einer Art Versuchslabor, zur Erprobung einer totalitären Durchsetzungspolitik. Die Bestrebungen dienten nicht nur einer nationalstaatlichen sondern auch einer politisch-ideologischen Machttransformation, welche infolge auch auf andere Regionen und Kolonien Italiens ausgeweitet wurde. Anhand von Untersuchungen zu den Planungsprozessen öffentlicher Großbauprojekten, wie beispielsweise die Um- und Neugestaltung der beiden Bahnhofsareale in Bozen/Bolzano (1927-28) und Trento/Trient (1933-36), werden strategische Vorgehensweisen und deren normative Mechanismen herausgearbeitet und damit jene neue prägende Normalität thematisiert, welche die moderne Architektur Italiens auch über den ideologischen Machtwechsel von 1945 weiter noch beeinflusst hatte.

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