Massenphänomen Gewerbehalle (C3)

Denkmal Massenphänomen Gewerbehalle?
Einordnung von Systemhallen in Stahlbauweise der Hochmoderne und deren Attribuierung für eine automatisierte luftbildbasierte Erfassung.

Hallenbauten für Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Verkehrsinfrastrukturen sind prägend für die Hochmoderne in der Zeitspanne von ca. 1914 bis 1970, da sie neue räumliche Lösungen für die vielfältigen Anforderungen der industriellen Produktionsbedingungen, der Logistik und z.B. dem Ausstellungswesen anboten und als neuer Bautyp flächendeckend erstmals in Erscheinung traten.

Hallenbauten mit Spannweiten von ca. 10 m bis 25 m dominieren dabei den flächenbezogenen Anteil am Gesamthallenbestand und decken einen weiten Bereich der zuvor skizzierten Nutzungen ab. Für diesen breiten Bedarf wurden ab ca. 1914 vermehrt Typen- bzw. Systemhallen in Stahlbauweise industriell gefertigt, deren Konstruktionsgeschichte und Typenvielfalt als weithin unerforscht gelten kann. Es kann gezeigt werden, dass hierzu innovative Konstruktionen entwickelt wurden, die den zeitgenössischen Anforderungen an eine industrielle Serienfertigung mit standardisierten Verbindungen und Modularität für Industriebauraster entsprachen, wobei wichtige Impulse u.a. aus dem Strukturleichtbau ihren Eingang fanden.

Es handelt sich bei dieser Baugattung um ein Massenphänomen, das bisher bautechnikgeschichtlich wenig Beachtung fand und sich einer baukulturellen Bewertung durch traditionelle kunstwissenschaftliche Indikatoren entzieht. Es fehlen somit auch im Diskurs der Denkmalpflege basale Erkenntnisse über Konstruktionstypenvielfalt, deren Verbreitung und auf ihren Standort bezogenen Kontext, um Aussagen zur Denkmalfähigkeit und -würdigkeit treffen zu können.

Das interdisziplinäre Forschungsteam aus den Bereichen der Bautechnik- und Konstruktionsgeschichte (ibt TU BS), der Fernerkundung (IGP TU BS) und der Denkmalpflege (NLD) deckt komplementäre Kompetenzen hinsichtlich dieser unterbewerteten Baugattung ab, die aktuell noch mit scheinbar antagonistischen Eigenschaften wie bspw. innovative Konstruktion/unspektakuläre Erscheinung, standardisiertes Serienprodukt/individuelle Aneignung durch den Nutzer oder ubiquitär/nicht quantifizierbar assoziiert wird.Neben dem Desiderat einer Verortung der Systemhallen in Stahlbauweise im Koordinatensystem der Bautechnik- und Konstruktionsgeschichte ist die Fragestellung nach ihrer Verbreitung und des Kontextes ihres Standortes Ausgangspunkt für die Entwicklung einer automatisierten Luftbild-basierten Erfassung und Einordnung.
Das mit klassischen Methoden kaum quantifizierbare Massenphänomen der Systemhallen ist aufgrund seiner fertigungsbedingten Standardisierung von Konstruktionen, Materialien und Abmessungen besonders geeignet, um generische Merkmale/Attribute ableiten zu können, die sie für eine automatisierte Identifikation in Luftbildern qualifizieren.

Die zu entwickelnde Methode einer automatisierten Luftbild-basierten Erfassung weist dabei grundsätzlich über den konkreten Anwendungsfall hinaus und stellt eine Adaption auf andere Baugattungen mit ableitbaren Attributen, wie bspw. dem Massenwohnungsbau in Großtafelbauweise, in Aussicht.

Projektbilder

Publikationen

  • Pedro Achanccaray, Markus Gerke, Sebastian Hoyer, Ulrich Knufinke, Christina Krafczyk, Klaus Thiele & Leonhard Wesche: „Deep Learning in der Denkmal-Inventarisation – Zur automatisierten luftbildbasierten Erfassung von Systembauwerken“, in: Die Denkmalpflege 80 (2022), Nr. 2, S. 162–167 (https://doi.org/10.1515/DKP-2022-2013)
  • Annkathrin Heinrich, Volker Mende, Leonhard Wesche & Pedro Achanccaray: „Database of recorded serial manufactured MLK-buildings (GDR) (Release 1)“, in: Leopard / Forschungsdaten, 19.7.2022 (https://doi.org/10.24355/dbbs.084-202206080745-0)
  • Leonhard Wesche, Annkathrin Heinrich, Sebastian Hoyer & Klaus Thiele: „Typisierte Stahlhallen – Ein Potenzial für nachhaltige Entwicklungen“, in: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 42 (2022), Nr. 1, S. 72–77
  • Leonhard Wesche et al.: „Serielle Bauwerke und wie man sie findet – Eine Methodik der Künstlichen Intelligenz zur Gebäudeerfassung“, in: Olaf Gisbertz et al. (Hrsg.): Reallabor Nachkriegsmoderne. Zum Umgang mit jüngeren Denkmalen. Berlin: Jovis (2023) (https://doi.org/10.1515/9783868597950-008)
  • Pedro Achanccaray et al.: „Automatic detection of specific constructions on a large scale using deep learning in very high resolution airborne imagery – The case of steel construction system halls of the high modernism period“, in: PFG – Journal of Photogrammetry, Remote Sensing and Geoinformation Science 91, 189-209 (2023) (https://doi.org/10.1007/s41064-023-00237-z)
  • Leonhard Wesche, Pedro Achanccaray, Sebastian Hoyer, Ulrich Knufinke, Markus Gerke, Christina Krafczyk & Klaus Thiele: ,,Dataset of German steel system halls from the period of high modernism”, in: Leopard / Forschungsdaten, 07.06.2023 (https://doi.org/10.24355/dbbs.084-202305261242-0)

Vorträge

  • 23.04.2021, Online: „Denkmal Massenphänomen Gewerbehalle?“, Projektvorstellung Impulstreffen des SPP 2255 (Markus Gerke, Sebastian Hoyer)
  • 09.09.2021, Online: „Denkmal Massenphänomen Gewerbehalle?“, Workshop „Bauen am Limit“ des Clusters C des SPP 2255 (Klaus Thiele)
  • 09.09.2021, Online, „Bauen am Limit – Beginn einer Annäherung“, Inputvortrag Workshop „Bauen am Limit“ des Clusters C des SPP 2255 (Klaus Thiele, Sebastian Hoyer)
  • 23.02.2022, Online: „Ressource Gewerbebauten – Perspektiven für Bestandsbauten mit System, Vortrag Tagung „Denkmalpflege, Bauwerkserhaltung und Klimaschutz – ganzheitlich betrachtet“ des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalschutz (Sebastian Hoyer)
  • 12.05.2022, Cottbus: „Denkmal Massenphänomen Gewerbehalle?“, Arbeitsbericht Jahrestreffen 2021 des SPP 2255 (Pedro Achanccaray Diaz, Leonhard Wesche)
  • 08.06.2022, Nizza: „ Automatic detection of steel construction system halls of the high modernism period“, Posterpräsentation XXIV ISPRS (International Society for Photogrammetry and Remote Sensing) Congress (Pedro Achanccaray)
  • 11.08.2022, Deutsches Bergbau-Museum Bochum: „Denkmal Massenphänomen Gewerbehalle – Zusammenhänge, Erfassung und Abbildung einer Konstruktionstypenvielfalt“, Vortrag Workshop „Netzwerke des Wissens“ des Teilprojekts C1 des SPP 2255 (Leonhard Wesche)
  • 18.11.2022, Augsburg: „Serielle Bauwerke und wie sie zu finden sind“, Vortrag Symposium „1972/2022 Monuments for Future in Practice“ (Leonhard Wesche)
  • 30.03.2023, Weimar: „Grundlagen und Vielfalt der Typisierung von Stahlhallen in der BRD“, Vortrag Workshop „Typisierte Tragwerke der DDR als historische Quellen der Ingenieurbaukunst“ der Teilprojekte C3, C4, D1, D2 und E1 des SPP 2255 (Leonhard Wesche)

Veranstaltungen

  • 09.09.2021: Online, Workshop „Bauen am Limit“ des Clusters C des SPP 2255
  • 27.07.2022: Erfurt, Workshop „Typenhallen mit Stahltragwerken“ der Teilprojekte C3 und C4 des SPP 2255
  • 29.–31.3.2023: Weimar, Workshop „Typisierte Tragwerke der DDR als historische Quellen der Ingenieurbaukunst“ der Teilprojekte C3, C4, D1, D2 und E1 des SPP 2255
  • 05.–07.07.2023: Braunschweig, Jahrestreffen und Denkwerkstatt 2023 „Hochmoderne ertüchtigen“ des SPP 2255 (Vorbereitung gemeinsam mit Teilprojekt C4 und Koordinationsteam des SPP 2255)

Weitere Teilprojekte