Forschungskolloquium “Eisenbeton / Sichtbeton / Betoninstandsetzung”

München, 17. Februar 2022

17.02.2022 14:00 – 17:00 Uhr
Veranstaltungsort:
TUM / Alte Architekturbibliothek (Raum 2350) & online

Im Kolloquium wurde aus laufenden Forschungsprojekten zur Betoninstandsetzung berichtet. Dabei standen insbesondere baudenkmalpflegerische Fragestellungen im Vordergrund.

Der erste Block beschäftigte sich aus historischer Perspektive mit dem Themenfeld der Sichtbetoninstandsetzung in der Baudenkmalpflege, frühen Erfolgen und Veränderungen der Praxis seit den 1980er Jahren, sowie dem Monitoring und der Bewertung sichtbarer Spuren früherer Instandsetzungen heute.
Der zweite Block stellte die Oberflächenqualitäten von Sichtbeton in den Fokus, und deren Veränderung im Rahmen von Instandhaltungsmaßnahmen. Vorgestellt und diskutiert wurden zwei Verfahren der Betoninstandsetzung, die Gegenstand aktueller Forschung und Entwicklung sind.
Neben den Berichten aus laufender Forschung luden die offenen Diskussionsrunden im Anschluss an beide Vortragsblöcke ein, die Perspektiven über die Fachgrenzen zu erweitern und mit Erfahrungen aus der Praxis zu bereichern. Die lebhafte Diskussion sowohl im Saal als auch im Chat der hybrid übertragenen Veranstaltung mit rund 100 Teilnehmenden zeigte, dass die Beschäftigung mit Sichtbetonbauten im Kontext der Denkmalpflege aktuell ein interessiertes Publikum anzieht. Der Wunsch nach weiterem fachlichen Austausch und vertiefenden Gesprächen wurde mehrfach geäußert.

Die folgende Zusammenfassung der Vorträge wurde uns freundlicherweise von den Referierenden zur Verfügung gestellt.

Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin. 40 Jahre Betoninstandsetzung

Prof. Dr.-Ing. Helmut Weber

Der Entwurf der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin von Egon Eiermann wurde 1961 fertiggestellt. Die Betonwabenelemente der Neubauten rund um den kriegsbeschädigten alten Kirchturm mussten bereits im Jahr 1970 erstmals gesichert werden, 1981/82 und dann 2005 wurden umfassende Instandsetzungsmaßnahmen notwendig. Die Betoninstandsetzung der 1980er Jahre bilden dabei exemplarisch eine Vorgehensweise ab, wie sie später auch in der RiLi SIB (DAfStb 1990-92) festgeschrieben wurde. Zunächst wurde eine genauen Bauzustandsanalyse mit Feststellung der Karbonatisierungstiefe, der Betonüberdeckung der Bewehrung, der Betondruckfestigkeit, der Wasseraufnahme und einer Kartierung der Schadstellen erstellt. Als Schadensursache wurden wohl bereits durch die Fertigung entstandene Risse in den Fertigteilen identifiziert, und ein Instandsetzungskonzept mit Zuordnung der Risse zu unterschiedlichen Gefährdungsklassen erarbeitet. Lose Teile wurden entfernt, die Fassade mit Wasserdruck gereinigt, die korrodierte Bewehrung blankgestrahlt und mit einem Korrosionsschutz versehen. Nach dem Auftrag einer Haftbrücke wurden die Fehlstellen mit einem kunststoffvergüteten Mörtel auf Zementbasis reprofiliert. Um eine der bauzeitlichen Waschbetonstruktur gleiche Oberflächenstruktur zu erhalten, wurde der bauzeitliche Zuschlag verwendet und durch Nachbearbeitung mit Glasschaumsteinen freigelegt. Abschließend wurde eine karbonatisierungsbremsende Beschichtung mit wasserabweisender Wirkung aufgetragen. Die Betoninstandsetzung der 2000er Jahre wurde mit weiterentwickelten Produkten aber nach gleicher Verfahrensweise durchgeführt, Schäden waren in der Zwischenzeit nur an bisher nicht instandgesetzten Partien entstanden. Zum Zeitpunkt der Instandsetzung in den 1980er Jahren war Konsens, dass alle 2-3 Jahre ein „Monitoring“ nach heutigem Verständnis durchzuführen ist.

Zum Umgang mit historischen Betoninstandsetzungen – DFG-Forschungsprojekt

Prof. Dr. Andreas Putz a, Prof. Dr.-Ing. Christoph Dauberschmidt b
Anthea Putz, B. Sc. b, Dipl.-Ing. Elisabeth Hinz a

a Technische Universität München, School of Engineering and Design, Professur für Neuere Baudenkmalpflege, 80333 München
b Hochschule München, Institut für Material- und Bauforschung, 80333 München

Zunehmend weisen Sichtbetonbauten, an denen Betoninstandsetzungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen, bereits Spuren vorangegangener Instandsetzungen auf. Gerade im denkmalpflegerischen Kontext stellt sich die Frage nach dem Umgang mit diesen früheren Zuständen und zeitlichen Schichten des Bauwerks. In ihnen bildet sich auch eine Reparatur- und Bautechnikgeschichte ab, die bisher wenig erforscht ist. Die Aufarbeitung der Geschichte der Betoninstandsetzung in Deutschland und die Erarbeitung eines Überblicks wesentlicher Instandsetzungsprodukte und baudiagnostischer Methoden sind Ziel des Vorhabens. Insbesondere sollen diese literatur- und archivalienbasierten Recherchen mit bauforscherischen und materialtechnologischen Untersuchungen an ausgesuchten Fallbeispielen abgeglichen werden. Sie sollen als Basis zur denkmalpflegerischen Bewertung dienen und zusammen mit der bautechnischen Bewertung der Instandsetzungsstellen das Fundament für die Entwicklung von Strategien zum Umgang mit historischen Betoninstandsetzungen bilden.

Die Erhaltung von Sichtbeton als historische Praxis. Dissertationsvorhaben TUM

Dipl.-Ing. Elisabeth Hinz
Technische Universität München, School of Engineering and Design, Professur für Neuere Baudenkmalpflege, 80333 München

Literaturrecherchen zeigen, dass der wirkmächtigen Erzählung von Stahlbeton als einem „unterhaltsfreien“ Baustoff bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts Untersuchungen gegenüberstehen, die sich mit Schädigungsprozessen, der Instandsetzung und dem Schutz von bewehrtem Beton beschäftigen. Als Arbeitshypothese wird angenommen, dass sich Instandsetzungsmaßnahmen an Sichtbetonflächen in drei grundsätzliche Herangehensweisen, Lokale Ausbesserungen, Oberflächenschutz und Vollflächiger Ersatz, unterteilen lassen; diese Instandsetzungspraktiken können demnach bis an die Anfänge des Betonbaus zurückverfolgt werden und lassen sich in diesem Sinne als historische Praxis lesen.
Da es in den 1960er Jahren neue Erkenntnisse zum Zusammenhang von Karbonatisierung und Bewehrungskorrosion gibt und es in der Folge zu reger Forschungs-, Entwicklungs- und Normierungstätigkeit kommt, ist der anschließende Zeitraum bis Anfang der 2000er Jahre für die Betrachtung besonders relevant.
Ziel der Arbeit ist es, die Entwicklungsgeschichte der Instandsetzungspraktiken auf Kontinuität zu überprüfen und mögliche Zusammenhänge mit dem jeweiligen Stand des Wissens um Schädigungsprozesse und dem verfügbaren Repertoire der Baudiagnostik zu klären. Wie haben sich Varianten der Sichtbetoninstandsetzung entwickelt? Wie wurde über die verschiedenen Maßnahmen berichtet? Welche Erkenntnisse liefert ein erneutes Betrachten der damals diskutierten Fallbeispiele aus heutiger Perspektive? Literatur- und Archivrecherchen sollen mit bauforscherischen Untersuchungen an Fallstudien abgeglichen werden. Von Interesse sind insbesondere Bauten, die in damaligen deutschen Fachdiskursen prominent besprochen wurden.

Das Vorhaben verfolgt das Ziel, die Beurteilung bestehender Instandsetzungen nach rein technischen und ästhetischen Parametern um Aspekte aus dem Bereich der Wissenschafts- und Bautechnikgeschichte zu ergänzen.

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Monitoring von Instandsetzungsmaßnahmen an Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne. Untersuchungen an der neuen Einsegnungshalle – Hauptfriedhof Saarbrücken

Sarah Steiner a, Michael Auras b, Christian Heese a

a Hochschule RheinMain, Architektur und Bauingenieurwesen, Fachgebiet Technologie der Massivbaustoffe und Massivbauerhaltung, 65197 Wiesbaden
b Institut für Steinkonservierung e.V., 55116 Mainz

Die behutsame Instandsetzung hat in den letzten Jahren insbesondere bei denkmalgeschützten Sichtbetonbauwerken an Bedeutung gewonnen. Durch kleinteilige, lokal begrenzte Reparaturmaßnahmen wird der größtmögliche Erhalt des architektonischen und optischen Erscheinungsbildes des Bauwerks bzw. seiner Oberflächen in der ursprünglichen Art gewährleistet. Die behutsame Instandsetzung steht allerdings häufig in der Kritik, weil sie teilweise von den aktuellen Richtlinien (Rili SIB, TR Instandhaltung von Betonbauwerken) abweicht, weshalb ihre Dauerhaftigkeit in Frage gestellt wird. Die hier vorgestellten Untersuchungen an der 1963 bis 1965 erbauten neuen Einsegnungshalle am Hauptfriedhof Saarbrücken (Architekt: P. P. Seeberger) zeigen mit einer systematischen Nachuntersuchung den aktuellen Zustand der 2007 bis 2009 durchgeführten Betoninstandsetzungsmaßnahmen. Zusätzlich zur klassischen visuellen Bauwerksprüfung, die die Grundlage der Zustandserfassung und -bewertung darstellt, wurden ergänzend farbmetrische Untersuchungen, Infrarotthermographie und Messungen mit einem tragbaren Ultraschalltomographen (A1020 Mira Lite) vorgenommen. Optisch wurden die Instandsetzungsmaßnahmen zum Teil aufwendig an den historischen Beton angepasst um die Brettschalstruktur der Oberfläche nachzuahmen. Der Altbeton weist jedoch große Schwankungen in der Helligkeit auf, weshalb sich trotz einer guten Farbanpassung des Reparaturmörtels die instandgesetzten Bereiche augenscheinlich an vielen Stellen absetzen. Zudem wurden vereinzelt beginnende Delamination des Reperaturmörtels sowie teilweise oberflächlich leicht geschädigte Bauwerksbereiche der noch unbehandelten Fassade beobachtet. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass ein kontinuierliches Monitoring helfen kann das künftige Schadensmaß besser einzuschätzen da geschädigte Bereiche bereits vor dem tatsächlichen Abplatzen der historischen Fassade erkannt werden können.

Holzschalungsbau und Sichtbeton. Dissertationsvorhaben TUM

Meltem Çavdar, M.Sc., M.A.
Technische Universität München, School of Engineering and Design, Professur für Neuere Baudenkmalpflege, 80333 München

Der Beitrag widmet sich der Rolle der Schalungszimmerei für brettgeschalten Sichtbetonbau in Ortbetonbauweise in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Studie nimmt die Beteiligung von Zimmerleuten an der Herstellung von Holzschalungen in den Blick, sowie den Transfer ihres traditionellen Wissens und ihrer Fähigkeiten in Bezug auf Sichtbetonbauten. Die Kontinuität des handwerklichen Holzschalungsbaus im Schatten der Industrialisierung in der Mitte des 20. Jahrhunderts wird auf der Grundlage einer Analyse von historischer zeitgenössischer Literatur und Baunormen, originalen Planungsunterlagen zu den Gebäuden, Baustellenfotos sowie Beobachtungen vor Ort an bestehenden Gebäuden untersucht. Abschließend wird exemplarisch dargestellt, wie die empirische Forschung an den erhaltenen Gebäuden vertieft werden soll, um die Baugeschichte der Holzschalungen, die zwar verloren gingen, aber noch sichtbare Abdrücke an der Oberfläche hinterließen, besser verständlich zu machen. Die Arbeit bestätigt, dass der Sichtbetonbau der Nachkriegszeit keine Bauart war, die von unerfahrenen Arbeitern leicht ausgeführt werden konnte, sondern der seine Existenz vielmehr dem Vorhandensein einer qualifizierten Holzschalungszimmerei und von Zimmerern auf der Baustelle verdankte.

Betoninstandsetzung mittels textilbewehrter UHPC-Systeme. DFG-Forschungsprojekt

Prof. Dr. Bernhard Middendorf a, Prof. Dr.-Ing. Jeanette Orlowsky b
Dr. Michael Auras c, Dr.-Ing. Franziska Braun c, Prof. Dr.-Ing. Christoph Duppel d, Melanie Groh, M.Sc b, Dipl.-Ing. Nikolaus Koch d, Dr.-Ing. Viola Koch a

a Universität Kassel, Fachbereich Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen, Institut für Konstruktiven Ingenieurbau, Fachgebiet Werkstoffe des Bauwesens und Bauchemie, 34125 Kassel
Technische Universität Dortmund, Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen, Lehrstuhl Werkstoffe des Bauwesens, 44227 Dortmund
c Institut für Steinkonservierung e.V., 55116 Mainz
d Hochschule RheinMain, Architektur und Bauingenieurwesen, 65197 Wiesbaden

Eine Betoninstandsetzung nach den derzeit geltenden technischen Regelwerken ist an den meisten kulturhistorisch bedeutenden Beton-Bauwerken ohne großen Substanzverlust und Veränderung des ursprünglichen Erscheinungsbildes nicht möglich. Am Beispiel des Europe 1 Sendezentrums Felsberg-Berus im Saarland werden Ergebnisse durchgeführter Betonuntersuchungen am Sendeturm vorgestellt und über die Entwicklung gefügeoptimierter, dichter Hochleistungs-Feinkornbetone mit Textileinlagen berichtet, welche in einem Teilbereich des Sendeturms zum Einsatz kommen werden. Durch die Kombination gefügedichter Hochleistungsbetone mit integrierter Textilbewehrung lassen sich optisch angepasste, sehr dünne und dennoch dauerhafte Instandsetzungen durchführen, ohne den Charakter und Charme des instand zu setzenden Objekts zu verändern.

Eisenbetonbrücke über die Mangfall. Befunde, Zustand, Ertüchtigungsmöglichkeiten – ein Zwischenbericht

Dr.-Ing. Jörg Rehm a, Prof. Dr.-Ing. Oliver Fischer b

a Technische Universität München, School of Engineering and Design, Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren, 80333 München
b Technische Universität München, School of Engineering and Design, Lehrstuhl für Massivbau, 80333 München

Der sogenannte Mangfallsteg bei Weyarn wurde 1910 errichtet. Die schlanke Stabbogenbrücke aus Eisenbeton mit bis zu 28,5 m Spannweite wurde seitdem nicht verändert. Die staatliche Sektion für  Wildbachverbauung plante und baute die Brücke unter Berücksichtigung der Leitsätze des dt. Betonvereins. Nach bereits erfolgten Untersuchungen soll sie einer Instandhaltungsmaßnahme zugeführt  werden.

 

Forschungskolloquium der Professur für Neuere Baudenkmalpflege, Prof. Dr. Putz (TUM) und des Instituts für Bau- und Materialforschung, Prof. Dr.-Ing. Dauberschmidt (HM).
Das Kolloquium fand im Rahmen des SPP 2255 Kulturerbe Konstruktion statt.

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Als Experte für den Umgang mit DDR-Bauwerken und Diskussionspartner stand den Teilnehmenden Dipl.-Ing. Volker Mund, Geschäftsführer und Bauingenieur des Ingenieurbüros Bauen GmbH, zur Verfügung.

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Das Teilprojekt C1 veranstaltet einmal im Jahr Werkstattgespräche der Reihe “Der unvollendete Prozess als denkmalpflegerische Herausforderung. Das Experiment Fertighaus” zu Themen, die sich aus der aktuellen Recherche ergeben. Im Zentrum des zweiten Workshops standen die Netzwerke, die zeitgenössisch zur Realisierung der Gebäude aufgebaut wurden. Geladen waren hierzu Kolleg*innen aus der Technik- sowie Bautechnikgeschichte, Denkmalpflege, der historischen Bauforschung, Architekturgeschichte und dem Bauingenieurwesen sowie der Geographie/den Geowissenschaften und des Geomonitorings.

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