Während des zweiten Jahrestreffens des SPP 2255 in Dessau-Roßlau besuchten die Teilnehmenden im Rahmen einer von Axel Schuhmann (Hochschule Anhalt) vorbereiteten Exkursion am 13.10.2022 auch verschiedene historische Konstruktionen im Gewerbepark Dessau-Mitte. Eine der dort erhaltenen Hallen beeindruckte die Teilnehmenden in besonderer Weise, allerdings existierten dazu kaum Informationen – etwa zu Bauzeit oder den verantwortlichen Planern.
Im Rahmen anschließender Nachforschungen schälte sich schließlich eine überraschende Erkenntnis heraus: Bei dem Bauwerk handelt es sich um ein verschollen geglaubtes Werk des für die Entwicklung der modernen Architektur außerordentlich bedeutsamen Architekten und Designers Peter Behrens (1868 – 1940).
Der in Kooperation mit dem Berliner Stahlbauunternehmen Breest & Co. entwickelte Bau war ursprünglich als „Kraftmaschinenhalle“ für die 1910 in Brüssel durchgeführte Weltausstellung konzipiert worden. Nach dem Ende der Weltausstellung wurde die Konstruktion nach Dessau transloziert und diente dort hinter neuen Fassaden eines lokalen Architekten anschließend der Firma G. Polysius als Verladehalle.
Die Kraftmaschinenhalle war nach aktueller Kenntnis das erste Bauwerk, bei dem sich Behrens intensiv mit der Gestaltung des ingenieurmäßig determinierten Innenraum eines Industriegebäudes auseinandersetzte. Sowohl für die Firma Breest & Co. als auch für Peter Behrens selbst bildete sie eine entscheidende Grundlage für die anschließende Weiterentwicklung der modernen Industriebaukunst. Überdies waren in Behrens’ Atelier seinerzeit mit Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe gleich zwei spätere Direktoren des Bauhauses beschäftigt, dessen ehemaliger Dessauer Standort sich in nicht einmal einen Kilometer Entfernung von der Halle befindet.
Die eher zufällige „Wiederentdeckung“ dieses Schlüsselwerks der Moderne zeigt in anschaulicher Weise die dringende Notwendigkeit verbesserter Kenntnisse zu unserem historischen Konstruktionserbe auf, die sich das SPP 2255 auf die Fahnen geschrieben hat. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt berichten Roland May und Axel Schuhmann ausführlich über die Geschichte, Bedeutung und Nachnutzung dieses besonderen Kulturerbes Konstruktion.
